Integrierter Bachelor

Hessischer Landtag, Kanzlei - Fotograf Hermann Heibel

Wir begrüßen einerseits die Einführung des integrierten Jurabachelors (LL.B.) insgesamt. Das Projekt ist schon länger Teil der hessischen Justizpolitik. Von Studierendenseite wurde die Einführung des Bachelors schon oft gefordert. Die EBS beweist, dass ein LL.B. schon jetzt möglich wäre. Von Seiten der Universität aber wurden entsprechende Initiativen stets abgeblockt. Die Landesregierung will – ausweislich ihres Gesetzentwurfs – den Universitäten eine weitestmögliche Flexibilität bei der Einführung des LL.B. gewähren. Dass den Fachbereichen, die den integrierten LL.B. stets vermeiden wollten, nun dessen Ausgestaltung obliegt, begründet einen erheblichen Interessenskonflikt. Wir merken deshalb folgendes an:

Weitere Voraussetzungen Der neu einzufügende § 25a Abs. 1 S. 3 JAG sieht vor, dass die Universitäten “weitere Voraussetzungen” für die Verleihung des integrierten Jura-Bachelors vorsehen dürfen. Angesichts der grundsätzlich ablehnenden Haltung der Dekanate wäre an dieser Stelle wünschenswert gewesen, etwaige prohibitive Zusatzvoraussetzungen auszuschließen.

Umrechnung Bachelor-Note Der neu einzufügende § 25a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 JAG überlässt es den Universitäten, die Bachelornote zu berechnen. Problematisch daran ist, dass die Notengebung im Jura-Staatsexamensstudium im Vergleich zu Bachelorabschlüssen sehr streng und manchmal schwer nachvollziehbar ist. Die bisherige Umrechnung der Juranoten in Bachelornoten an der Universität Frankfurt wird diesem Verhältnis nicht gerecht. Wer mit 2x 9 Punkten seine Staatsexamina besteht, kann bundesweit Richter werden oder sich für ein sechsstelliges Einstiegsgehalt in einer Großkanzlei verdingen. In Bachelornoten, laut aktueller Umrechnung, entspricht das aber nur einer 3,0 – was nach den Maßstäben geisteswissenschaftlicher Bachelorabschlüsse ein schlechter Abschluss ist. Problematisch daran ist, dass unabhängig davon, ob man danach ein Masterstudium anstrebt oder in den Beruf starten will, die Noten in IT-Systeme zur Bewerberauswahl eingegeben werden und Jurastudierende mit einem Bachelor dann mit Bewerber*innen aus anderen Fachbereichen konkurrieren. Wenn die Noten unmodifiziert umgerechnet werden, macht das den Bachelorabschluss de facto nutzlos – eine Gefahr, die angesichts des oben genannten Interessenkonflikts nicht einfach abgetan werden sollte.
Vielmehr sollte die Gesetzesänderung eine Notenumrechnung vorschreiben, die die Jura-Noten mit jenen aus anderen Bachelorabschlüssen vergleichbar macht.

Fehlende Akkreditierungspflicht Der neu einzufügende § 25a Abs. 4 JAG entlässt die rechtswissenschaftlichen Fachbereiche aus der ihnen in § 14 Abs. 2 HessHG für andere Bachelorabschlüsse auferlegte Pflicht, den LL.B. zu akkreditieren. Die Akkreditierung hat sonst zwei Zwecke: Einerseits Studiengänge inhaltlich und rechtlich studierbar zu halten und andererseits das Niveau des Studiums zu sichern. Aus dem zweiten Grund wird oft für die (ggf. im Ausland erfolgende) Immatrikulation in Masterstudiengänge ein akkreditierter Bachelorabschluss gefordert – den hessische LL.B.-Absolventen voraussichtlich nicht vorweisen werden können: Eine Akkreditierung geht mit einem nicht unerheblichen Einmalaufwand für die hessischen rechtswissenschaftlichen Fachbereiche einher. Diesen scheinen sie durch das Unterlassen der Akkreditierung vermeiden zu wollen und untergraben dadurch die Tauglichkeit des LL.B. als Grundlage eines Masterstudiums.

Cut-Off Date 11.03.2020 Der neu einzufügende § 25a Abs. 1 S. 1 JAG sieht vor, dass in den Genuss der Neuregelung nur Examenskandidat*innen kommen, die nach dem 11.03.2020 erstmals zur Prüfung zugelassen wurden. Die uns zu Ohren gekommene Argumentation dafür ist, dass die Verleihung des LL.B.s für frühere Kandidat*innen ohnehin unerheblich sei, weil diese inzwischen ohnehin andere Karrierewege eingeschlagen hätten. Auch hinter dieser Regelung vermuten wir den Wunsch nach Vermeidung zusätzlichen Aufwands. Wir nehmen aber an, dass sich der Aufwand selbst bei einer deutlich weiter rückwirkenden Verleihung des LL.B.s für die Universitäten in Grenzen halten würde: Der LL.B. soll ausweislich der Regelung des Absatzes 1 ohnehin nur auf Antrag verliehen werden. Dadurch wird die Notwendigkeit vermieden, auf einen Schlag nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung hunderte Bachelorurkunden erstellen und versenden zu müssen. Andersherum gibt es durchaus legitime Gründe, den Abschluss auch als “älterer” Abgänger noch haben zu wollen – auch wenn man schon einen weitergehenden Karriereweg eingeschlagen haben sollte. So stellen insbesondere die Vergütungsstrukturen im öffentlichen Dienst auf vorhandene Hochschul- und Universitätsabschlüsse ab. Es ist nicht ersichtlich, warum Examenskandidat*innen von Anfang 2020 die Heraufstufung verwehrt bleiben sollte und jenen, die das Examen wenige Monate später angetreten haben, nicht. Auch eine Familiengründung, Krankheit oder viele andere Szenarien können trotz einem Antritt zum Examen bis Anfang 2020 eine auch im Jahr 2024 noch nicht erfolgte Karriere-Verwurzelung und damit einen legitimen Wunsch nach Verleihung des LL.B.s begründen.

Fazit Den integrierten Jura-Bachelor begrüßen wir, wie auch die überwältigende Mehrheit der Jurastudierenden. Er ermöglicht ausweislich der erforderlichen Zulassung zur Staatsexamensprüfung einen Abschluss nach Erbringung erheblicher Leistungen. Das alleine sollte die Verleihung des Bachelors ausreichend rechtfertigen. Darüber hinaus gibt es auch jenseits etwaig ungenügender Vorbereitung aufs Staatsexamen Konstellationen, in denen die Verleihung des integrierten LL.B.s vorteilhaft ist: Zum Beispiel wird so Studierenden, die während des Studiums realisieren, dass Jura nicht das richtige Studium für sie ist, ein Ausweg vor der intensiven Examensphase eröffnet. Ausreichend vorbereitete Kandidat*innen, die sich wegen des hohen psychischen Drucks nicht trauen, das Staatsexamen überhaupt anzutreten, bekommen trotzdem einen Abschluss. Aus diesen Gründen sind wir enttäuscht, dass die Landesregierung hier den bislang unwilligen Dekanaten dermaßen in die Hände spielt. Es scheint, als solle das Thema pro forma erfolgreich vom Tisch. Dabei ist das Ergebnis so ausgehöhlt, dass der LL.B. für seine zwei sinnvollsten Anschlussverwendungen – als Grundlage für ein Masterstudium sowie als Grundlage einer Anstellung nach Durchlaufen eines KI-gestützten Bewerbungsverfahrens – absehbar nicht verwendet werden kann.